März 2001

Bonnie und Clyde

Dieser auf einer wahren Geschichte beruhende Film gilt als moderner Klassiker und war programmatisch für die Entwicklung des amerikanischen Films in den siebziger Jahren. Denn mit "Bonnie und Clyde" sollte die Entmachtung der in Ehren ergrauten Hollywood-Studiobosse durch junge, hungrige Filmemacher ihren Anfang finden.

Bonnie und Clyde Wir schreiben die 20er Jahre, die große Depression hat die USA erfasst: Bonnie Parker, ein hübsches, junges Mädchen, arbeitet als Kellnerin und träumt davon, dass ihr eines Tages ein Traumprinz erscheint. Als der ehemalige Häftling Clyde Barrow vor ihrer Tür steht, der Bonnie sogleich mit seinen Knastgeschichten betört, ist es um sie geschehen. Um Bonnie die Wahrheit seiner Behauptungen zu bezeugen, überfällt er mit gezogener Waffe einen kleinen Laden und schon befinden sich die beiden auf der Flucht. Nachdem sie sich mit C.W. Moss, einem halbwüchsigen Automechaniker, Clydes Bruder Buck, sowie dessen spießiger Ehefrau Blanche verstärkt haben und die ersten Toten zu beklagen sind, zieht sich die Schlinge um die Barrow-Gang immer enger zusammen...

Regisseur Arthur Penn und Produzent Warren Beatty schufen mit "Bonnie & Clyde" einen bahnbrechenden Film und stellten das Hollywood-Studiosystem gewaltig auf den Kopf.
Bonnie und Clyde Die Helden von "Bonnie & Clyde" sind keine überhöhten Supermänner (oder -frauen) mit weißer Weste, sondern im Gegenteil, normale Bürger, die auf der falschen Seite des Gesetzes landen. Ihre Taten erscheinen jedoch niemals als brutale Verbrechen, sondern als Spiele abenteuerlustiger, fehlgeleiteter Kinder, ihre Morde wie Unfälle. In einer Welt, in der für sie nur die Rolle der Verlierer bleibt, wollen sie sich ein Stück vom Kuchen sichern. Bonnie & Clyde werden zu Helden der kleinen Leute: Als das Gangsterpärchen auf einer verlassenen Farm vom ehemaligen Besitzer aufgeschreckt wird, der seinen Wohnsitz an die Bank verpfänden musste, schließen sich beide Parteien zusammen, um mit Clydes Waffe auf das Schild der Bank vor dem Haus zu schießen. Clydes Ausspruch - "Wir überfallen Banken" - ist an dieser Stelle des Films weniger Geständnis, als vielmehr Versprechen. Bonnie und Clyde handeln im Namen aller kleinen Leute, denen die Kraft fehlt, sich zu wehren. Dass dieser Plan in seiner Naivität scheitern muss, ist die Tragik von "Bonnie & Clyde".

Die Polizei, die die Interessen derer vertritt, die von Bonnie und Clyde geschädigt werden, greift mit brutaler Härte ein. Clyde Barrow bringt seine Bande jedoch ein ums andere Mal in Sicherheit. Je häufiger ihm das gelingt, um so klarer wird es den Protagonisten und dem Zuschauer, dass dies nicht ewig so weitergehen kann. Das System muss ihren Regelverstoß mit aller Härte ahnden. Im legendären, niederschmetternden Finale passiert genau das. "Bonnie & Clyde" dürfte einer der ersten Filme sein, die das Thema "Polizeibrutalität" thematisieren. Seine Systemkritik ist darüber hinaus heute aktueller denn je.

Der Konflikt zwischen Alt und Jung, System und Rebell ist nicht nur der zwischen Barrow-Gang und Staat, sondern auch der der Filmemacher und den Studiobossen: Denen muss "Bonnie & Clyde" ein echter Dorn im Auge gewesen sein. Die Helden junge, ungezogene Räuber, die auf das Gesetz pfeifen, und die Polizei ein Haufen faschistischer Rednecks. Auch die Tatsache, dass Clyde Barrow, umwerfend verkörpert von Hollywood-Beau Warren Beatty, impotent ist, schien den Film zum potentiellen Flop zu machen. Er traf jedoch genau den Zeitgeist und machte Produzent Beatty zu einer der gefragtesten Kräfte im Hollywood der siebziger Jahre.

Bonnie und Clyde Aber nicht nur der Mut Beattys ist zu loben, auch die fantastische Regie von Arthur Penn macht diesen Film unvergesslich. Zwischen urkomisch, todtraurig und brutal hin- und herpendelnd, trifft Penn immer genau den richtigen Ton. Der Oscar-gekrönte Kameramann Burnett Guffrey bringt traumhafte Bilder auf die Leinwand, und auch die Akteure tun das Ihre zum Gelingen des Films. Neben Warren Beatty und Faye Dunaway muss man vor allem Gene Hackman und Estelle Parsons erwähnen. Ein junger Hackman gibt den lauten, einfach gestrickten Buck, der die ganze Zeit nicht zu merken scheint, dass es um sein Leben geht. Estelle Parsons (ebenfalls mit dem Oscar ausgezeichnet) spielt seine ewig nörgelnde Ehefrau, die im Fluchtauto der Barrow-Gang völlig deplaziert scheint und sich heftige Wortgefechte mit der aufmüpfigen Bonnie liefert. In einem komödiantischen Gastauftritt brilliert zudem Gene Wilder, dessen amüsanter Ausflug mit der Barrow-Gang ein für ihn unvorhergesehenes Ende nimmt...  

Oliver Nöding / Wertung: * * * * (4 von 5)

Quelle der Fotos: Neue Visionen


Filmdaten

Bonnie und Clyde
(Bonnie and Clyde)

USA 1967
Regie: Arthur Penn; Produzent: Warren Beatty; Kamera: Burnett Guffrey; Drehbuch: David Newman, Robert Benton;
Darsteller: Warren Beatty (Clyde Barrow), Faye Dunaway (Bonnie Parker), Michael J. Pollard (C.W. Moss), Gene Hackman (Buck Barrow), Estelle Parsons (Blanche), Gene Wilder (Eugene Grizzard) u.a.

Länge: 111 Minuten; FSK: ab 16 Jahren.
deutsche Kino-Wiederaufführung des Films: 30. Juni 2005



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