19.05.2020

Psychischer Kampf um Würde

Bombshell
- Das Ende des Schweigens

Film Bombshell - Das Ende des Schweigens: Charlize Theron, Nicole Kidman, Margot Robbie Es geht nicht um Sex, es geht um Macht; um Macht und um Demütigung. Es geht um alte Männer mit Macht, die Frauen sexuell unter Druck setzen – einfach, weil sie es seit jeher ungestraft tun können. Spätestens seit der 2017 aufgekommenen #MeToo-Bewegung und dem Weinstein-Skandal, am Ende dessen der auf großer Skala Missbrauch treibende Filmproduzent Harvey Weinstein zu 23 Jahren Haft verurteilt wurde, ist eine öffentliche Debatte darüber entstanden. Vorläuferinnen dieser Skandale waren 2016 ein paar weniger bekannte mutige Journalistinnen beim größten amerikanischen Nachrichtensender Fox News. Ihre Geschichte hatte katastrophale lebenslange Folgen, denn sie verloren dauerhaft ihre Jobs, ihren sozialen und finanziellen Status, um einen Moment der Wahrheit zu erleben: die Entlarvung des Missbrauchers Roger Ailes. Deren Geschichte zeigt "Bombshell".

Film Bombshell - Das Ende des Schweigens: Nicole Kidman Fox-News-Moderatorin Gretchen Carlson ist die Erste, die sich 2016 an die Öffentlichkeit traut. Nach ihrer Kündigung verklagt sie Roger Ailes, den Gründer und Chef des Senders, wegen jahrelanger sexueller Belästigung. Eine leider sichtbar schönheitsoperierte Nicole Kidman spielt diese Rolle des moralischen Gewissens im Film. Star-Moderatorin Megyn Kelly, gespielt von Charlize Theron, hatte noch den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in einer Live-Debatte mit seinen frauenfeindlichen Äußerungen konfrontiert und wurde dann selber Zielscheibe von Anfeindungen. Monate später erteilt sie Trump eine halbherzige öffentliche Absolution, um die Aufmerksamkeit von sich abzuwenden. Wie integer blieb sie auf ihrem Weg nach oben? Eine dritte, vielleicht zu ambitionierte junge Journalistin, gespielt von Margot Robbie, versucht ihren Karriereweg über das Büro von Roger Ailes zu verkürzen und gerät direkt in das bereits breit ausgelegte Spinnennetz.

Es handelt sich um besonders eifrige Frauen, voller Temperament, die für ihren Beruf brennen. Die bereit sind, große Opfer und Entbehrungen dafür hinzunehmen. Der gewiefte und hochintelligente Roger Ailes durchschaute dies, und er wusste auch, dass diese Frauen ihre Stellung keineswegs gefährden würden, weil seine prominente Stellung in der Medienbranche auch für ein lebenslanges Anstellungsdefizit bei anderen Sendern hätte sorgen können.

Es ist ein starkes, diffiziles und politisch hochwichtiges Thema, dem sich hier die Filmemacher widmen. Bei der filmischen Umsetzung hapert es jedoch an einigen Stellen. So mutet schon der Anfang des Films wie eine zu lang geratene Werbung an, wenn eine Frau, die irgendwie aussieht wie Charlize Theron und irgendwie auch nicht (die Extras verraten das gekonnte künstlerische Makeup mit Gesichtsprothetik), von der subjektiven Handkamera verfolgt, in einem Affenzahn durch die Gänge von Fox News führt und die Büros und Teams vorstellt – was höchst irrelevant ist für die Geschichte. Zwar stört die subjektive Kamera nicht so sehr wie in anderen Filmen, weil sie sich hier mit unterschiedlichen Fokussierungen menschlichen Sehgewohnheiten anzupassen versucht. Aber sie lenkt dennoch stellenweise vom Geschehen durch das Gewackel ab.

Film Bombshell - Das Ende des Schweigens: DVD-Cover Auch faktisch Falsches wird dargeboten – was die echte Megyn Kelly nachträglich öffentlich auf YouTube richtigstellte. Der Film trägt trotz Einfühlsamkeit und starker Szenen eine männliche Unterschrift – sowohl beim Drehbuch (Charles Randolph) als auch bei der Regie (Jay Roach) – schade, dass die sehr engagierte und passend gewählte Charlize Theron auf diesen Regisseur bestand. Während aber ihre Figur relativ steif ist und trotz sehr elegantem Auftreten farblos bleibt, führt vor allem Margot Robbies Charakter uns ins emotionale Zentrum des Films. Erst durch ihr Spiel und ihre Szenen wird dem Zuschauer vor Augen vorgeführt, was geschickt eingefädeltes sexuelles Innuendo und Missbrauch psychisch eigentlich bedeuten. Was es mit den Opfern macht. Und das ist der Kern des Films, der ruhig auch hätte tiefer gehen können, um die Ursachen der Unterwerfung näher zu beleuchten. Das und letztendlich den Grad der Demütigung auszukundschaften, der erreicht werden muss, ab dem ein Opfer Nein sagt. Schön und wortlos filmisch angedeutet sind die Blicke der Mütter in Richtung ihrer noch unschuldigen Töchter, für deren Würde es sich zu kämpfen lohnt. Trotz der Schwächen ist es ein sehenswerter und ästhetischer Film, der zum Nachdenken anregt.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * * (4 von 5)

Quelle der Fotos: Wild Bunch/EuroVideo


Filmdaten

Bombshell - Das Ende des Schweigens
(Bombshell)

USA/Kanada 2019
Regie: Jay Roach;
Darsteller: Charlize Theron (Megyn Kelly), Nicole Kidman (Gretchen Carlson), Margot Robbie (Kayla Pospisil), John Lithgow (Roger Ailes), Allison Janney (Susan Estrich), Malcolm McDowell (Rupert Murdoch), Kate McKinnon (Jess Carr), Connie Britton (Beth Ailes), Liv Hewson (Lily Balin), Brigette Lundy-Paine (Julia Clarke), Rob Delaney (Gil Norman), Mark Duplass (Doug Brunt), Stephen Root (Neil Mullen), Robin Weigert (Nancy Smith), Ashley Greene (Abby Huntsman), Ahna O'Reilly (Julie Roginsky), Lisa Canning (Harris Faulkner), Elisabeth Röhm (Martha MacCallum), Alice Eve (Ainsley Earhardt) u.a.;
Drehbuch: Charles Randolph; Produzenten: A.J. Dix, Aaron L. Gilbert, Robert Graf, Michelle Graham, Beth Kono, Charles Randolph, Margaret Riley, Jay Roach, Charlize Theron; Kamera: Barry Ackroyd, Chris W. Johnson; Musik: Theodore Shapiro; Schnitt: Jon Poll;

Länge: 109,42 Minuten (Kino), 105,19 Minuten (DVD/Blu-Ray); FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 13. Februar 2020; Veröffentlichung auf Blu-Ray/DVD ab dem 4. Juni 2020



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"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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