24.03.2013
Wo Hopfen und Malz verloren ist

Beerland


Beerland "Mit seiner Dokumentation setzt der aus Kansas, Missouri, stammende Filmemacher Matt Sweetwood unserem Nationalgetränk ein Denkmal." Um das zu erfahren, braucht man das launige Kinodebüt des Wahlpotsdamers nicht einmal anzusehen, da das Presseheft es auf der ersten Seite vorab verkündet. Wer würde dahinter werbestrategische Übertreibung vermuten? Daher: Danke, Matt Sweetwood! Vor deiner Reportage hatte man keinen Plan, weder geschichtlich, noch gesellschaftlich, weder gebiets- noch getränketechnisch. Und am wenigsten vom Titelort deines "Beerland".

Den Allgemeinbildungswert des Dokumentarfilms kennt das Presseheft ebenfalls: "Natürlich wissen wir über unser flüssiges Brot, unser wichtigstes Nahrungsmittel, selbst am besten Bescheid." Dass man genügend informiert ist, konntest du natürlich nicht ahnen, da Pressehefte selten vor Fertigstellung eines Films zu lesen sind. Wo Halbwissen und Teilkenntnis herrschten, hast du immerhin den Faktenstand aufgefüllt, bis jeder weitere Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hätte und nur eines obskur blieb: Wer sind "wir", zu denen das Presseheft sich zählt, und was ist gemeint mit "unserem Nationalgetränk", das ein Protagonist "das gesündeste Grundnahrungsmittel der Welt" nennt? "Wir" sind keine Werbedarsteller und es ist nicht Milch, sondern ein "nahezu heiliges Getränk". Aber "wir" sind nicht die Maya und es ist nicht Trinkschokolade, sondern "ein gesundheitsförderndes Nahrungsmittel". Aber "wir" sind keine Franzosen und es ist nicht Wein, sondern auch ein "Unterschichtsgetränk, beworben mit billigem Humor und serviert in Massen". Aber "wir" sind keine US-Amerikaner und es ist nicht Cola, sondern "reich an Traditionen".

Beerland: Filmplakat Aber "wir" sind keine Chinesen und es ist nicht Tee, sondern war für dich "eine verbotene Frucht", nur kein Fruchtsaft, denn "wir" sind keine – nun, wo immer Fruchtsaft Nationalgetränk ist und womöglich der Drehort von "Juiceland". Aber wäre eine dem Bierkult vergleichbare Verehrung von Saft überhaupt denkbar? Man könnte Saft flüssiges Obst nennen, aber muss man 21 sein, um ihn in den USA zu trinken? Wurde er Göttern geweiht, von Mönchen gebraut, gab es je einen "Saftkrieg" ähnlich dem Krieg in dem Historienspiel, das Sweetwood auf einer Dorfbühne schaut? Trifft man sich auf einen Saft am Stammtisch wie dem, wo Kneipenbesucher vor laufender Kamera rassistische Tiraden loslassen? Trinkt man Saft aus dem Umhängebecher, der beim Kölner Karneval ständig nachgefüllt wird? Hat jede Region ihren eigenen Saft und eigene Gläser? Tragen breitschultrige Kellnerinnen Literkrüge mit Saft durch Festzelte voller Gäste in Lederhosen und Dirndln, die den Platz ein Jahr vorab reserviert haben? In einem solchen Festzelt sitzt Sweetwood mit seinen Eltern auf dem Oktoberfest. Wo das Hopfengebräu in Fülle fließen sollte, klagt seine Mutter: "Wir waren schon 40 Minuten hier und haben kein Bier gekriegt."

Beerland: Der Regisseur Matt Sweetwood mit Hunde-Bierkrug Dem Publikum indes soll eine nüchterne Perspektive erspart bleiben. Statt trockener Fakten bietet die gefällige Reportage feucht-fröhliche Stimmung nach dem Motto "Man muss sich erst mal mit den Deutschen betrinken, um sie zu verstehen." Diese Erfahrung fehlt vermutlich auch denen, die sich fremd fühlen angesichts der deutschen Bierkultur, auf die man einander zuprostet. Um Bier handelt es sich bei "unserem Nationalgetränk" und "wir" sind die Deutschen und das Presseheft. Bier habe "die Kraft als inspirierendes Elixier sogar die Geschichte zu ändern". Für filmische Dynamik reichte die inspirierende Kraft jedenfalls nicht. Sweetwood behauptet: "Bier hat irgendwie einen schrägen Humor." Doch der in "Beerland" ist so plump wie "die topp drei Stichworte, wenn man in den Staaten an Deutschland denkt": Bier, Bratwurst, Autobahn. Mögen über die letzten beiden nicht auch noch Filme folgen.  

Lida Bach / Wertung: * * (2 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Movienet Film

 
Filmdaten 
 
Beerland  
 
Deutschland 2011
Regie & Drehbuch: Matt Sweetwood;
Mitwirkende: Rex Sweetwood, Carol Sweetwood, Angelo Ambrosetti, Peter Bach, Ingrid Bach, Siegfried Götz, Marcus Götz, Anton Renner, Martin Flieher, Erika Müller-König, Aurel von Bassewitz, Karl-Rudolf Päffgen, Martin Schuster, Gundi Schuster, Mona Euringer, Franz Euringer, Gerald Kriechenborg, Carsten Dörgeloh u.a.;
Produktion: Hoferichter & Jacobs GmbH in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk und Telepool; Produzent: Olaf Jacobs; Dramaturg: Markus Stein; Kamera: Thomas Lütz, Axel Schneppat; Musik: Eike Hosenfeld, Moritz Denis, Tim Stanzel; Schnitt: Stefan Buschner, Markus Stein;

Länge: 90,27 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Movienet Film; deutscher Kinostart: 25. April 2013



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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