10.12.2012
Wo die wilden Kerle wohnen

Beasts of the Southern Wild


Beasts of the Southern Wild (Copyright Jess Pinkham / MFA+ FilmDistribution) "Daddy sagt immer oben in der trockenen Welt haben sie nichts von dem, was wir haben", erzählt Hushpuppy (Quvenzhané Wallis). Das kleine Mädchen führt ein Leben voll kindlicher Wildheit und Weisheit in einer fiktiven Bayou-Bastion, die so ungestüm und energisch ist wie sie. Bathtub heiß das Sumpfbecken, wo ihr Vater Wink (Dwight Henry), der alte Säufer Walrus (Lowell Landes), die fettleibige Little Jo (Pamela Harper), Sticks (Nicholas Clark), Peter T. (Henry D. Coleman) und die restlichen menschlichen Kuriosa der Gemeinde die meisten Feiertage feiern. Die permanente Partystimmung dämpft ein Hurrikan. Der prophezeite Sturm bringt über Bathtub die Sintflut und ihr folgen die "Beasts of the Southern Wild".

Die Urzeit-Monster warten wie der Blob im arktischen Eis auf das Fortschreiten der Polschmelze, das sie aus der Kältestarre befreit. Die Auerochsen, die mit Fellbehang und Aufsatzhörnern ausstaffierte Schweine verkörpern, fürchten Bathtubs Einwohner weniger als das Reglement in den medizinischen Hilfszelten. Das Ende ihres mystifizierten Überlebenskampfes setzten Bathtubs Einwohner mit dem ihrer tradierten Kraftverherrlichung. Durch sie besteht Hushpuppy die Gefahren, die im Grunde nur eine Mutprobe sind. Das Bestehen der metaphysischen Prüfung versöhnt sie mit der Tradition, bevor sie gezielt dagegen aufbegehren kann. Das Wichtigste, was es zu lernen gäbe, sei sich um Kleinere und Zartere zu kümmern, sagt Hushpuppys Lehrerin Miss Bathsheeba (Gina Montana). Solche Worte sind Lippenbekenntnisse des Regisseurs Benh Zeitlin, der mit Lucy Alibar deren Bühnenstück "Juicy and Delicious" als übermütigen Fantasyfilm adaptierte.

Beasts of the Southern Wild (Copyright Ben Richardson / MFA+ FilmDistribution) Dessen Moralprinzipien entfernen sich weit von der Abenteuerstimmung. Vernachlässigung und Gewalt sind legitime Mittel der verhärteten Erwachsenen gegenüber den Kindern, die etwas Aufmerksamkeit vergessen macht. Wenn sie sich dazu nicht überwinden können, tut es frisch panierter Alligator. Diese Speise bereitet der ausgerissenen Hushpuppy eine Barschönheit (Jovan Hathaway), die vielleicht oder vielleicht auch nicht, aber eher doch Hushpuppys verschwundene Mutter ist. Beide begegnen einander in dem possierlichen Freudenhaus, zu dem der Seebär Sergeant Major (Jimmy Lee Moore) Hushpuppy und die übrigen Mädchen schippert. Zwielichtige Gedanken liegen dabei fern, denn hier wartet die Hure mit dem Herz aus Gold beziehungsweise goldgelb gebackenen Alligator-Nuggets. Eine Portion kriegt Hushpuppys sterbender Vater als Vorgeschmack auf die Glückseligkeit. Panierte Alligator-Happen erinnern Wink an Hushpuppys Zeugung, wo sie als Aphrodisiakum wirkten, und schließen symbolisch den Kreis der Kernfamilie, indem sie deren traditionelles Rollenschema reinstallieren.

Beasts of the Southern Wild (Copyright Ben Richardson / MFA+ FilmDistribution) Zusammen mit dem Panierten erhält Hushpuppy von der Barfrau den im Schluss-mit-lustig-Tonfall vorgetragenen Hinweis, ein jeder müsse für sich selbst sorgen. Ganz oben auf der Werteskala steht die darwinistische Parabel das Überleben des Stärksten, zu dem Miss Bathsheeba die Kinder ermahnt: "Ihr lernt jetzt besser wie man überlebt." Sonst erwartet sie das Schicksal der Haustiere. Die landen zwischen Händen und Zähnen der Heldin, die lernt beim Verzehr fangfrischer Krabben animalisch zu schlingen. "Starke Tiere kennen keine Gnade", verkündet Hushpuppy, die ihr Vater wiederholt als Tier bezeichnet, als wisse er, dass in dem zähen Mädchen das wildeste der "Beasts of the Southern Wild" schlummert. Fressen oder Gefressenwerden ist das übergreifende Motiv der darwinistischen Kinderfantasie. "Sie sind die Art Tiere, die ihre Mamas und Papas fressen", heißt es von den Titelungetümen, denen es die altkluge Heldin sinnbildlich gleichtut.

In Hushpuppys überhöhtem Passageritus verbirgt sich nicht Magie, sondern der harsche Naturkreislauf. "Starke Tiere erkennen, wenn ein Herz schwach ist", sagt Hushpuppy. Vielleicht fühlt man deshalb hinter dem Aufbrausen der "Beasts of the Southern Wild" dumpfe Kraftlosigkeit.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: MFA+ und siehe jedes einzelne Foto

 
Filmdaten 
 
Beasts of the Southern Wild (Beasts of the Southern Wild) 
 
USA 2012
Regie: Benh Zeitlin;
Darsteller: Quvenzhané Wallis (Hushpuppy), Dwight Henry (Wink), Lowell Landes (Walrus), Pamela Harper (Little Jo), Nicholas Clark (Sticks), Henry D. Coleman (Peter T.) u.a.;
Drehbuch: Lucy Alibar, Benh Zeitlin nach dem Bühnenstück von Lucy Alibar; Produzenten: Dan Janvey, Josh Penn, Michael Gottwald; Kamera: Ben Richardson; Musik: Dan Romer, Benh Zeitlin; Schnitt: Crockett Doob, Affonso Goncalves;

Länge: 96,48 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von MFA+ FilmDistribution e.K.; deutscher Kinostart: 20. Dezember 2012



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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