24.12.2012
Das unheimliche Ding aus einer fremden Dimension

Apparition
- Dunkle Erscheinung


Apparition - Dunkle Erscheinung "Häuser machen nun mal seltsame Geräusche", beruhigt Ben seine Freundin Kelly (Ashley Greene). Doch die Investmentimmobilie im schicken Neubauprojekt Palmdale, in die das junge Paar frisch eingezogen ist, tut noch mehr. Zuerst sind es Kleinigkeiten, banal wie der eigenartige Rußfleck auf der Küchenarbeitsfläche. Ben (Sebastian Stan) entfernt den Makel in ihrer perfekten neuen Existenz, als könne er so die Vergangenheit wegwischen. In gleicher Manier ignoriert er die Nachrichten seines alten Freundes Patrick (Tom Felton), mit dem er während der Studienzeit das anlockte, was ihn nun verfolgt: "The Apparition".

Die Erscheinung, nach der Todd Lincoln sein skizzenhaftes Spielfilmdebüt benennt, ist tatsächlich das Gegenteil einer konkreten Präsenz. Was auch immer Ben, Patrick, ihr Kommilitone Greg (Luke Pasqualino) und Bens damalige Freundin Lydia (Julianna Guill) bei einem paranormalen Experiment geweckt haben, manifestiert sich nur durch ihre Furcht. "Umso mehr wir daran glauben, desto stärker scheint es zu werden", sagt Patrick, der in einer scheindokumentarischen, von Bens Handkamera gefilmten Anfangsszene das Experiment erläutert. Die Seance wiederholt einen Anlauf aus den Siebzigern, bei dem Paraforscher den Geist eines gewissen Charles Reamer durch vereinte Gedankenkraft anriefen, in optimierter Versuchsanordnung. Dass die Studenten ihre Konzentration mittels eines Verstärkers bündeln, zählt zu den konfuseren Einfällen von Lincolns selbstverfasster Story. Dennoch verrät sie trotz ihrer dürftigen Umsetzung einige originelle Twists, in denen das typische Geisterhaus-Setting nur als trügerische Fassade eines physikalischen Horrors dient.

Apparition - Dunkle Erscheinung Die Haustüren, die eines Nachts unerklärlicherweise alle offen stehen, verweisen auf ein anderes offenes Tor – zu einer fremden Dimension. "Etwas ist da durch gekommen", glaubt Patrick. "Jetzt ist es frei." Doch in Wahrheit kommt die Bedrohung nicht aus einer anderen Dimension, die Bedrohung ist die andere Dimension. Und sie ist hungrig. Gleich einem lebendigen Wesen gewinnt sie an Stärke und Größe je mehr sie verschlingt. Der sich durch das Haus fressende Moder zerstört die vorstädtische Baustruktur noch während sie im Entstehen ist. Der gespenstische Verfall widerspricht dem modernen Erscheinungsbild der Neubausiedlung und steht dennoch in bizarrem Einklang damit. "Manchmal können die Dinge, die am normalsten sind, die unheimlichsten sein", sagt der Regisseur, der sein Protagonistenpaar in ein suburbanes Niemandsland verpflanzt. Öder und abgeschiedener als jedes Spukhaus, scheint Palmdale kein vegetatives oder animalisches Leben zu dulden. "Dein Haus hat meinen Hund getötet", sagt die Tochter von Kellys Nachbarn, der den plötzlichen Tod des Tieres als so unvermeidlich aufnimmt wie Kelly das rapide Verwelken ihrer Zierkaktee.

Apparition - Dunkle Erscheinung Dass sie Tiermedizinstudentin ist und Ben Techniker, betont die Hilflosigkeit der beiden gegenüber dem Titelobjekt, das die Hauselektronik und Haustier zuerst den Garaus macht. Ein Entkommen vor der Bedrohung, die sich in surrealem Perspektivverlust und Desintegration ausdrückt, ist dabei von vornherein unmöglich. "Euer Haus wird nicht heimgesucht. Ihr werdet es", erklärt Patrick, der noch nach seinem Verschwinden via Tonaufnahme zu den Protagonisten spricht. In doppeltem Sinne aus dem Off, prophezeit er die surreale Leere, die von Beginn an die Vorstadttristesse überschattet und schließlich Überhand gewinnt. Es ist, als verzehre die eigene Nichtigkeit die Figuren. Zu spät erkennen sie, dass der Selbstverlust, gegen den sie ankämpfen, längst Realität ist. Diese mehrdeutigen Untertöne, die Hoffnungen auf zukünftige Horrorwerke Lincolns wecken, lassen einen die formalistischen Handlungsstrecken in "The Apparition" durchstehen. Belohnung dafür ist das Ende, dem die einzig nachwirkende Horrorszene gehört. Mit Patricks Worten: "Es erschöpft dich, bis du es nicht mehr aushältst. Und dann holt es sich dich."

Weitere Kritik zum Film von Christian Horn  

Lida Bach / Wertung: * * (2 von 5) 
 

Quelle der Fotos: StudioCanal

 
Filmdaten 
 
Apparition - Dunkle Erscheinung (The Apparition) 
 
USA 2012
Regie & Drehbuch: Todd Lincoln;
Darsteller: Ashley Greene (Kelly), Sebastian Stan (Ben), Tom Felton (Patrick), Julianna Guill (Lydia), Luke Pasqualino (Greg), Rick Gomez (Mike), Anna Clark (Maggie) u.a.;
Produzenten: Alex Heineman, Todd Lincoln, Andrew Rona, Joel Silver; Kamera: Daniel Pearl; Musik: tomandandy; Schnitt: Jeff Betancourt, Tom Elkins, Harold Parker;

Länge: 82,20 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih der StudioCanal GmbH; deutscher Kinostart: 13. Dezember 2012



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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