August 2001

Tragikomödie von Ultra-Violent-Regisseur Peckinpah

Abgerechnet wird zum Schluss

Als Gewaltorgien sind oftmals die Filme Sam Peckinpahs verschrieen, doch wer "Abgerechnet wird zum Schluss" kennt, seinen persönlichen Lieblingsfilm und - nach eigener Aussage - den einzigen, den er ganz und gar nach seinen Vorstellungen drehte, der wird die Filme des ungewöhnlichen Regisseurs in einem anderen Licht sehen.

"Abgerechnet wird zum Schluss" - der deutsche Titel passt und passt wiederum nicht, denn Rache ist zwar das beherrschende Thema, doch da diese so eigenwillig, so typisch für den Protagonisten ausfällt, rückt diesen der Original-Titel, der zugleich das erzählende, balladenhafte betont, mit Recht in den Vordergrund: "The Ballad Of Cable Hogue". Hogue, gespielt von dem kürzlich verstorbenen Jason Robards jr., in seiner vielleicht nicht wichtigsten - die dürfte zweifelsohne die des Cheyenne in Leones "C'era Una Volta Il West", 1968, sein - wohl aber schönsten Rolle, stellt einen der sympathischsten und liebenswertesten Charaktere des Western-Genres dar. Eine massive Rechtschreibschwäche und zweifelhafte Kochkünste hindern ihn nicht daran, eine florierende Raststätte zu führen, eine tiefe Abneigung gegen Priester hält ihn nicht davon ab, Freundschaft mit dem dubiosen Reverend Joshua Duncan Sloane zu schließen (köstlich: David Warner), der, mit einem praktischen Wendekragen ausgerüstet, sowohl weltliche Genüsse, als auch geistliche Aufgaben meistert, und schließlich, gegen alle Vorurteile und bürgerliche Ressentiments, bringt ihn nichts davon ab, die Prostituierte Hildy (Stella Stevens) zu lieben, für die er sogar das größte Opfer auf sich nehmen will: in die verhasste Stadt zu ziehen.

Von seinen Gefährten Taggart und Bowen (L.Q. Jones und Strother Martin) ausgeraubt und ohne Wasser in der Wüste zurückgelassen, findet Goldsucher Cable die einzige Wasserquelle weit und breit. Er kauft zwei Morgen Wüstenland, für mehr reicht das Geld nicht, und eröffnet dort die Kutschenstation Cable Springs, die sich bald als wahre Goldgrube erweisen wird und ihren Besitzer reich und angesehen werden lässt. Doch nie vergisst er, was ihm seine Freunde antaten - so wartet er in der Wüste, um sich an den beiden ehemaligen Weggefährten zu rächen. Gott, zu dem er ein camillohaftes Verhältnis pflegt und an den er sich oft - mit leichtem Vorwurf, aber nie zweifelnd - wendet, könne das zwar gern für ihn übernehmen, aber, so meint er, er solle sich damit beeilen, da er es noch erleben wolle.

Nur wenige Elemente erinnern an die bekannteren Peckinpah-Filme, nur der zu Beginn durch einen Schuss zerfetzte Leguan zeigt seine Vorliebe für schockierende, explizite Gewaltdarstellung. Sonst kommt er nahezu ohne die üblichen Brutalitäten aus, ja, greift sogar, für ihn durchaus erstaunlich, auf Humor zurück. Zwar ist nicht jede Pointe geschmackvoll, auch die Slapstick-Einlagen wirken überdreht, doch insgesamt bekommt der Thematik die ironisierende Darstellung sehr gut. Elegant werden lange Zeiträume im Split-Screen-Verfahren oder mit Überblendungen gezeigt, und, als besonderer Clou, sind den einzelnen Charakteren hörenswerte Leitmotiv-Songs von Jerry Goldsmith ("Planet der Affen", 1968) und Richard Gillis zugeordnet, die diese auch zum Teil selber singen und beweisen, dass Robards nicht nur ein patenter Schauspieler war. Auch, wenn der Film keinem des Regisseurs ähnelt, tauchen hier charakteristische Motive seines Werks wieder auf, etwa die Rolle der Prostituierten, die Kritik am Bürgertum und die Idealisierung des Außenseiters.

Hogue stirbt, wie noch kein Westerner zuvor: Er wird von einem Auto überfahren. Mit ihm stirbt auch der alte Westen der Pferde und Postkutschen, aber auch der Western-Film, denn seit den 70ern befindet sich das Genre auf einem bis dato anhaltenden Tiefpunkt. Die großen Western sind zu diesem Zeitpunkt, bis auf wenige Ausnahmen, gedreht, das Publikumsinteresse lässt - nach einem kurzfristigen Boom des Italo-Stils - nach und kaum ein Filmemacher wagt noch, gegen das belastende Clichée, Western seien bloße "Pferdeopern", anzukämpfen. Auch der vorliegende Film wird in Lexika unter der undankbaren, jedoch aussagekräftigen Kategorie "Spät-Western" geführt. Aber Cable Hogue wäre mit seiner Einfachheit, Kindlichkeit, Naivität und auch - das macht die Figur tragisch - mit seiner Toleranz, seinem Mitleid und seiner Menschlichkeit in der Moderne, gegen die er sich wie gegen das Auto stemmte, ohnehin nicht zurecht gekommen.  

Stefan Strucken / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

Abgerechnet wird zum Schluss
(The Ballad of Cable Hogue)

USA 1970
Regie: Sam Peckinpah; Drehbuch: John Crawford, Edmund Penney; Kamera: Lucien Ballard; Musik: Jerry Goldsmith, Richard Gillis; Schnitt: Frank Santillo, Lou Lombardo; Produzenten: Phil Feldman, Sam Peckinpah, William Faralla;
Darsteller: Jason Robards jr. (Cable Hogue), Stella Stevens (Hildy), David Warner (Joshua), Strother Martin (Bowen), Slim Pickens (Ben), L.Q. Jones (Taggart), Peter Whitney (Cushing) u.a.

Länge: 121 Minuten; FSK: ab 16 Jahren



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