29.01.1997

Ein kulinarisches Vorspiel

Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber

Irgendwo auf der "großen Insel". Das Restaurant des Pariser Meisterkochs Richard wird vom dämonischen, abstoßend zynischen Gangster Albert und seinem kriminellen Gefolge belagert. Seine wunderschöne und sinnliche Frau Georgina ist der einzige Lichtpunkt an dessen reich gedeckter Tafel. Michael, ein unscheinbarer Buchhändler, speist ebenfalls im Restaurant "Le Hollandais". Zwischen den Beiden entfacht eine leidenschaftliche Liebe...

Peter Greenaway ist ein begnadeter Regisseur! Mehr als das - er ist der "Paul Bocuse" der haute cuisine des europäischen Films.
Die Arbeitsmethode des ehemaligen Malers ist unverändert geblieben. Anstatt mit Pinsel und Farbe die Leinwand zum Leben zu erwecken, "malt" er nun mit einer Kamera auf Zelluloid. Jedoch mit einem winzigen Unterschied: diesmal "laufen" seine Bilder!

Bei diesem Werk des 1942 in London geborenen Neo-Klassizisten, wird sein Hang zu einer manieristisch geprägten Ästhetik offensichtlich. Das Restaurant ist eine zeitlose Oase - ein Gasthaus der Zeitlosen. Am mannigfaltigen Interieur haftet - im Kontrast zur funktional bestimmten Außenarchitektur aus blaukalt schimmernden Stahlkonstruktionen - eine Atmosphäre des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Küche - ein Vorhof zur Hölle - erinnert stark an einen mittelalterlichen Jahrmarkt mit seinen bizarren Attraktionen. Paradox ist die Gästetoilette. Sie ist ein Ort der Reinheit, der Unbeflecktheit, schon fast mit sakralem Ambiente.
Jede Szene, ja, jede noch so unwichtig erscheinende Einstellung, ist bis ins kleinste künstlerische Detail bildstilistisch einwandfrei komponiert. Greenaways Arrangement bedient sich keineswegs der Willkür.
Faltenwürfe und Vorhänge aus edlen Tüchern, wie Damast und Brokat, erheben die Filmkulisse zur Theaterbühne. Lukullische Kostbarkeiten - köstlich präsentiert - die Garderobe von J. P. Gaultier, Zentralperspektiven, und die bildliche Anordnung der grandios spielenden Figuren, gleichen Ölgemälden alter Meister. (siehe das großformatige Gemälde im Restaurant: "Das Festmahl der Offiziere...", von Frans Hals)
Dies alles dient als Kontrastelement zu einer Person: Albert "Aspic" Spica. Wahrlich kein Mensch. Der Gourmand Albert personifiziert die menschlichen Plagen, die Leid und Übel über die Menschen bringen. Eine bittersüße Hoffnung bleibt, sie stirbt zuletzt, oder doch nicht?. (Verweis zur Büchse der Pandora) Albert ist abartig und steht als Synonym für die Lasten einer Liebe, deren Sinnlichkeit nicht auf gesprochenen Worten beruht. Eine reine Liebe, die vom Adam und Eva-Motiv im Szenario begleitet wird.
Peter Greenaways Anklage gilt den krankhaften Zügen der menschlichen Gesellschaft. Die "Entnabelung" des Chorknaben dient hier als Metapher für den Verlust ihrer Unschuld.
Der finale "Leichenschmaus" läßt uns indes wissen: "Männer, die auf Toiletten herumlungern, wollen mit Gewalt ihre Illusionen verlieren." (Georgina zu Albert)

Leidenschaftlicher Sex, religiöse und mythologische Anspielungen und noch einige Überraschungen. Dieser Eintopf mundet dem cineastischen Gourmet auf vorzüglichste Art.
- Bon appetit! -

  Ali Selçuk Akinci / Wertung: * * * * * (5 von 5)


Filmdaten
Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber (The Cook, the thief, his wife and her lover/Le cuisinier, le voleur, sa femme et son amant)

Produktion: Allarts Cook Ltd./Erato Films/Films Inc.; Regie: Peter Greenaway; Buch: Peter Greenaway; Kamera: Sacha Vierny; Musik: Michael Nyman; Darsteller: Michael Gambon (Albert), Richard Bohringer (Richard), Helen Mirren (Georgina), Alan Howard (Michael), Tim Roth (Mitchel) u.a.

England/Frankreich/Niederlande 1989, 125 Minuten, FSK: nicht unter 18.

Auszeichnungen:
Internationales Fimfestivel Katalanien 1989, Sitges (Michel Gambon als Bester Darsteller, Sacha Vierniy für die Beste Kamera, Peter Greenaway als Bester Regisseur und Michael Nyman für die Beste Filmmusik).

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