Roman
Polanski ist von einem Fluch belegt. Der Fluch ist, daß seine
frühen Werke ("Ekel", "Tanz der Vampire",
"Rosemarys Baby", etc.) zu gut, zu meisterhaft, zu erfolgreich
waren. Deswegen werden seine neueren Filme - auch wenn sie routiniert
gefilmt sind - im Vergleich immer nur verlieren können.
Sein jüngstes Werk, "Die neun Pforten", inspiriert
von der Romanvorlage Arturo Perez-Revertes "Der Club Dumas"
, vermag durchaus zu unterhalten. Jedoch mutet die Handlung ein
wenig angestrengt konstruiert an: Dean Corso (Johnny Depp), ein
New Yorker Spezialist für antike Bücher, ist ein skrupelloser,
recht abgeklärter Charakter, der seinen Job weniger aus Überzeugung
und Interesse macht, sondern gegen gute Bezahlung. So hat er auch
keinerlei Bedenken, als er von einem reichen Sammler okkulter
Bücher engagiert wird Recherche über ein Schriftstück
zu betreiben, an dessen Entstehung angeblich der Teufel persönlich
beteiligt war. Was ihm auf der Suche nach den zwei weiteren Exemplaren
dieses Buches passieren wird vermag Corso nicht zu erahnen. Noch
bevor er für seine Ermittlungen nach Europa abreist fühlt
sich von einer fremden, mysteriösen Frau (Emmanuelle Seigner)
verfolgt, und ein befreundeter Buchhändler wird brutal ermordet.
Dies hält ihn dennoch nicht davon ab, sich auf eine blutige
Irrfahrt zwischen Spanien, Portugal und Frankreich zu begeben.
Der Zuschauer verfolgt dies aus der Sicht der Hauptfigur, erfährt
kaum mehr als sie über die Geschichte und Bedeutung des Buches
und über die damit verbundenen Gefahren. Die Todesfälle
in Corsos Umgebung und die Anschläge auf sein Leben häufen
sich, doch der ist schon viel zu fasziniert und involviert, um
den Auftrag und die Bezahlung aufzugeben.
Polanski bringt gängige Symbole und Versatzstücke
der Genre Horror/Mystery/Thriller ins Spiel. Da gibt es viel Feuer
und Rauch, um auf die Anwesenheit des Bösen hinzuweisen.
Unentwegt zünden sich sämtliche Figuren Zigaretten an
und lassen den Rauch elegant qualmen. Da gibt es einen Club, deren
Mitglieder an Schlangentattoos zu erkennen sind und die schwarze
Messen in schwarzen Kapuzenumhängen feiern.
Das wirkt nicht selten wie eine leichte Parodie. Nur kommt es
dieses Mal nicht so humoristisch daher wie in "Tanz der Vampire"-
außer in einer Szene, in der ein paar überzeugte Satanisten
sich mit einem simplen "Buh!" verscheuchen lassen. Leicht
schmunzeln darf man auch , wenn der Sammler Balkan als Code für
seine Sicherheitsanlage die Zahl 666 eingibt. Mit Zahlen wird
überhaupt viel jongliert. Unschwer schon am Filmtitel und
Filmplakat zu erkennen. Da ist Polanski auch besonders detailverliebt,
wenn er exakt drei Orangen und nicht mehr oder weniger die Treppe
herunterpurzeln läßt.
Verfällt der Regisseur in Klischees oder ist es beabsichtigt,
wenn z.B. "die Bösen" durch Sonnenbrillen zu erkennen
sind oder wenn sich Balkans schärfste Konkurrentin (Lena
Olin) als ganz in schwarz gekleidete Femme Fatale das begehrte
Buch durch Sex kaufen will?
Der Film macht solange Spaß, wie man sich als Zuschauer
auf das Detektivspiel einläßt: man rätselt mit,
man läßt sich von der Atmosphäre gefangennehmen,
läßt die dunklen Räume mit ihren schweren Möbeln
wirken.
Beginnt man aber den Plot zu hinterfragen fangen die Schwierigkeiten
an. Fragen wie:
Verhalten sich die Figuren in jeder Situation glaubwürdig?
Warum sollte Satan (oder sein Bote) so unspektakulär in Erscheinung
treten wie hier? Nach welchen Kriterien wird "der Auserwählte"
ausgesucht? Braucht die Geschichte eine Verfolgungsjagd? u. s
.w. sollte man in diesem Genre besser nicht stellen.
Von solchen Schwächen abgesehen gäbe es sicher einiges
mehr, was positiv zu erwähnen wäre:
Wirklich gute und stimmige Kameraarbeit, die sich nicht zu sehr
in den Vordergrund drängt und schöne Bilder produziert.
Bemerkenswerte Musik von Wojciech Kilar, der schon ähnlich
düstere Stimmung zu Coppolas
"Bram Stoker´s Dracula" erzeugte. Die Darsteller
sind bis in die kleinsten Nebenrollen gut besetzt.
Ab und zu mag man zweifeln, ob Johnny Depp die Idealbesetzung
für die Rolle des Dean Corso war: Man erkennt, daß
sein Haar geschwärzt und im Ansatz grau gefärbt wurde
- er mußte älter wirken. Und obwohl man ihn als facettenreichen
Schauspieler kennt, war er in seinen bisherigen Filmen sicher
nicht grundlos immer Sympathieträger. Oder ist er "der
Wolf im Schafspelz" ?
"Die neun Pforten paßt zweifelsohne gut in die Endzeitstimmung
eines ausgehendes Jahrhunderts. Auch hebt er sich noch immer deutlich
vom Hollywooddurchschnitt ab - doch verglichen mit Polanskis früheren
Geniestreichen wird er recht unbedeutend. Es ist nicht der Film,
dessen Figuren und Bilder einen nicht wieder loslassen, aber immerhin
beschert er dem Zuschauer einen angenehmen Kinoabend ohne ihn
zu unterfordern.
Das einzige was bei diesem Film wirklich kryptisch bleibt, ist
ein zu offensichtliches "product placement".
Oder möchte uns Polanski gar mitteilen, daß Shell mit
dem Teufel im Bund ist?