Filmfestival
Max Ophüls Preis 2008
Vom 14. bis 20. Januar 2008 fand zum 29. Mal das Filmfestival Max Ophüls Preis statt. Hauptpreisträger war diesmal Regisseur André Erkau mit seinem Langfilmdebüt, dem Ensemblefilm "Selbstgespräche". Schon 2006 gewann Erkau zwei der Saarbrücker Auszeichnungen, unter anderem den Kurzfilmpreis für "37 ohne Zwiebeln". "Selbstgespräche" hat sich den Preis höchstens mangels besserer Alternativen verdient. Zu brav, ohne Schwung kommt Erkaus Komödie um beruflich in einem Call Center gestrandete Menschen daher. 2008 war ein insgesamt schwacher Jahrgang für den renommierten Wettbewerb von der Saar.
Peter Lohmeyer zertrümmerte auf der Bühne sein Handy. Der Schauspieler ("Das Wunder von Bern") führte nun zum vierten Mal durch die Preisverleihung des Filmfestivals Max Ophüls Preis.
Und die Gelegenheit nutzte er, um sich vor dem Publikum mit den von Entlassung Bedrohten der Nokia-Werke Bochum zu solidarisieren. Also flog an dem Samstagabend im Saarbrücker Staatstheater ein Handy zu Boden.
Tragik mit im Ansatz humoristischer, jedenfalls in ihrer Wirkung staubtrockener Gegenreaktion zu verbinden - es sollte zu einem der Leitmotive für die Wettbewerbsfilme 2008 werden.
In Lügen verstrickt sich Mel (Anjorka Strechel) in "Mein Freund aus Faro" ebenfalls, und ebenfalls aus Liebe. Gegenüber Vater und Bruder spielt sie die in einen Portugiesen Verliebte; sie selbst erlebt gerade ihr lesbisches Coming Out. Noch nicht kompliziert genug? Das angebetete Mädchen hält die androgyn Auftretende für einen jungen Mann - aus dem portugiesischen Faro. Die Irrungen und Wirrungen der Komödie waren der SR/ZDF-Drehbuchjury ihre Auszeichnung wert. Komödien waren rar gesät, zu lachen hatten die Zuschauer im diesjährigen Wettbewerb wenig, darauf wiesen die beiden künstlerischen Leiter Gabriella Bandel und Philipp Bräuer schon im Vorfeld des Festivals hin. Die wenigen Komödien waren stets an einen tragischen Aspekt gebunden. Kein Film stand dafür so sehr wie der Gewinnerfilm "Selbstgespräche", genauso wie er für die diesjährige Durchschnittlichkeit des Wettbewerbs exemplarisch war.
Wer hat es nicht schon mal erlebt: Die täglichen Anrufe aus Call Centern mit ihren lästigen Verkaufs- und Vertragsvermittlungsgesuchen. Jüngst hat der gerne undercover ermittelnde Schriftsteller Günter Wallraf über seine Zeit in einem Call Center in einem Buch berichtet.
Einen gelungenen Scherz erlaubt sich daher Regisseur André Erkau: Wallraf ist im Call Center, in dem der Film spielt, für Sekundenbruchteile zu sehen.
Die wenigen Komödien wurden begleitet von Dramen, in denen es nichts zu lachen gab. Beispielsweise "Höhere Gewalt" von Regisseur Lars Henning Jung, ein Film, der voraussichtlich nicht unter 18 Jahren freigegeben wird. Sechs junge Leute fahren übers Wochenende in ein düsteres Landhaus am See. Zu fünft werden sie am Ende wieder abfahren. Dazwischen liegen Auseinandersetzungen voll abstoßender, roher Gewalt. Die Schülerjury verlieh diesem Film ihre Auszeichnung, sowie die 19-jährige Jungdarstellerin Alice Dwyer prämiert wurde, für ihre Rollen in diesem Film und in einem weiteren Wettbewerbsbeitrag, "Die Tränen meiner Mutter". In "Mondkalb" von Sylke Enders, die sich mit "Kroko" (2003) bereits einen Namen gemacht hat, wird man einmal tote Ferkel sehen. Der 12-jährige Tom wird sich um die Kadaver kümmern. Das Tote zieht ihn an, da seine Mutter vier Jahre zuvor den Freitod durch Erhängen wählte.
Tom sehnt sich nach einer intakten Familie, denn Vater Piet (Axel Prahl) kann die Mutter nicht ersetzen. Deshalb belästigt Tom die neu hinzugezogene Alex (Juliane Köhler) so lange, bis diese sich öffnet. Aber ist sie für Piet die Richtige? Alex war im Gefängnis. Auf ihren Mann hatte sie einen Mordanschlag verübt. Und auch Piet hat eine gewalttätige Seite.
Tristesse und Gewalt auch in den drei Dokumentarfilmen des Wettbewerbs: Eine junge Frau, die sexuell immer wieder ausgenutzt worden war, beging Selbstmord. "Zuletzt befreit mich doch der Tod" (Regie: Beate Middeke) begibt sich auf ihre Spuren, aber der Dok-Film kann die Tote und ihren grausamen Lebensweg nicht näherbringen.
"Allein in vier Wänden" war mit seiner Qualität beim Festival eine Ausnahme. "Der Charme des Unperfekten", den die für die eigentliche, erkrankte Festivalleiterin Birgit Johnson eingesprungenen Gabriella Bandel und Philipp Bräuer in der Eröffnungsveranstaltung ausgemacht haben, der für die ersten, zweiten und dritten Spiel- und Dokumentarfilme von Nachwuchsregisseuren gilt - er war diesmal nicht da. Das Unperfekte überwog, leider uncharmant.
alle Preisträger 2008:
Max Ophüls Preis: Selbstgespräche Regie: André Erkau Filmpreis des Saarländischen Ministerpräsidenten: Allein in vier Wänden Regie: Alexandra Westmeier Dokumentarfilmpreis: Allein in vier Wänden Regie: Alexandra Westmeier Beste Nachwuchsdarstellerin: Alice Dwyer (Filme Höhere Gewalt / Die Tränen meiner Mutter) Bester Nachwuchsdarsteller: Jörg Pohl (Film Nichts geht mehr) SR/ZDF-Drehbuchpreis: Mein Freund aus Faro Regie: Nana Neul Publikumspreis: Novemberkind Regie: Christian Schwochow Preis der Schülerjury: Höhere Gewalt Regie: Lars Henning Jung Kurzfilmpreis: Dunkelrot Regie: Frauke Thielecke Filmmusikpreis der Saarland Medien GmbH: Selbstgespräche Musik: Dürbeck & Dohmen Interfilmpreis: Hello Goodbye Regie: Stefan Jäger BMW Group Förderpreis Film (Mittellange Filme): Böse Bilder Regie: Stefan Schaller Förderpreis der DEFA-Stiftung: Nur ein Sommer Regie: Tamara Staudt
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